Modell 5. (Instrumentale) Musikpraxismodelle aus aller Welt
Wenn das Singen und Tanzen von Liedern aus aller Welt vor allem bei kleinen Kindern angesagt ist,
warum nicht das Nachspielen instrumentaler Musik mit der Klasse in höheren Altersstufen?
Bei vielen Musikethnologen (vgl. Modell 1) heißt es, daß das naive Nachspielen
außereuropäischer Musik mehr Mißverständnisse als Verständnis produziere,
sofern dies nicht sogar eine Form naiven Kulturimperialismus sei. In jüngster Zeit (seit ca. 2020) ist
dieser Vorwurf unter dem Etikett "Kulturelle Aneignung" erneut erhoben worden. Siehe hierzu die "Grundlagentexte"
nach 2020 und Modell 15!
Andererseits: Wie sollte man
wirklich neue musikalische Erfahrungen machen, wenn man nicht auch selbst ansatzweise musikalisch
tätig wird...? -
Vorsichtig
sollte man von Musikpraxismodellen sprechen, wenn LehrerInnen afrikanisch trommeln,
eine Samba mit SchülerInnen nachspielen, Gamelan auf dem Orffinstrumentarium schlagen
oder arabische Gesänge zwölftemperiert singen. Weitere Probleme interkultureller
Musikerziehung durch Musikpraxismodelle aus aller Welt" sind mit denjenigen bei
Lieder und Tänze aus aller Welt" identisch: Folklorismus"-Vorwurf
etc. Auffallend ist auch, daß sich die Musikpraxismodelle meist auf die traditionelle"
Musik eines Landes und nicht die aktuelle" (Pop-)Musik beziehen. (Ausnahme bzgl. Afrika bei Schütz 1992 und bzgl.
arabischer Popmusik bei Stroh 2015ff.)
Während es zur instrumentalen Praxis von Musik aus Lateinamerika und Afrika südlich der Sahara eine Fülle an
Materialien gibt und auch die einschlägigen Musikzeitschriften voll von Praxistipps sind, sieht es im Falle der
Instrumentalen Musikpraxismodelle aus aller Welt ziemlich mau aus. Die auf Musikpraxis spezialisierte Zeitschrift "Praxis des Musikunterrichts. Die
Grünen Hefte" tut sich extrem schwer, ihre Inhalte auf nicht US-amerikanisch inspirierte Popmusik auszudehnen.
Und auch die Reihe "Musik der Welt" des Lugert-Verlages, die in puncto "kulturerschließend" als vorbildlich bezeichnet
werden musste, ist nach 10 Jahren erfolgloser Laufzeit eingestellt worden.
Fragestellungen:
- Welchen interkulturellen Ansatz haben die vorliegenden musikpraktischen Unterrichtsvorschläge?
- Wie werden die vorgelegten Materialien diesem Ansatz gerecht?
- Wie wird das Problem des Kulturmißverständnisses" diskutiert bzw. wie wird Mißverständnissen" vorgebeugt?
- Welche Erfahrungen mit dem jeweiligen Ansatz werden berichtet?
- Wie steht es mit dem Folklorismus"- oder Exotismus-Vorwurf oder dem der Kulturellen Aneignung?
- Gibt es Äußerungen von "authentischen" MusikerInnen (Indonesien, Ghana, Australien usw.) zu diesem Problem?