Informationen, Konzepte und Materialien zum Interkulturellen Musikunterricht

aktuelles

Aktuelle Vorschläge von Unterrichtsthemen

Die vorliegenden "aktuellen Vorschläge" beziehen sich auf Themen, die speziell die Flüchtlingssituation seit 2015 berücksichtigen. Daneben biete ich ja noch die (allgemeinen) Materilien zur Interkulturellen Musikerziehung auf einer extra Seite an.

Mit diesen Vorschlägen möchte ich diskutieren, was Musiklehrer/innen mit Blick auf die andauernde Flüchtlingssituation in der Migrationsgesellschaft tun können. Dabei gilt die Regel, die auch für jegliche interkulturelle Musikerziehung gilt: solche Konzepte sind unabhängig davon, ob sich Flüchtlingskinder in der Klasse befinden oder nicht. Sie richten sich "an alle".

Immer noch scheint vor allem Musik au dem arabischen Raum Zugangsprobleme für (deutsche) Musiklehrer/innen zu bieten. Ich bin der Meinung, dass die Bedenken "kultureller Aneignung" nicht daran hindern sollten, arabische Musik im Unterricht auch praktisch anzugehen. Die Verbindung mit Szenischer Interpretation stellt dabei eine echte Hilfe dar - wie sich inzwischen gezeigt hat. Die "reinen" Praxis-Beispiele sind auf extra Seiten ausgegliedert. Auf der vorliegenden Seite werden Themen vorgestellt, die über reine Musikpraxis hinaus gehen.

Hinweis: Falls die Youtube-Links nicht "automatisch" (durch Doppelklick) funktionieren, kopieren Sie die Linkadresse (mit gedrückter rechter Maus auf den Link und dann "Linkadresse kopieren") und fügen Sie diese im Browser direkt ein.

1. Spracherwerbsförderung durch Musik

Hierzu gibt es eine extra Abteilung in der Rubrik " Praxisberichte/Sprachförderung". Es handelt sich hier nicht im engeren Sinne um Interkultruelle Musikerziehung. Allerdings lassen sich Ziele interkultureller Musikerzieung gut mit solchen Aktivitäten verknüpfen.

2. Eine Musikerin oder ein Musiker aus einem typischen Herkunftsland von Flüchtingen besucht die Schule

In verschiedenen Bundesländern gab es durch Musikrat, Regierung oder Stiftungen vermittelte Möglichkeit, "original" Musikerinnen oder Musiker aus Herlunftsländern von Flüchtlingen einzuladen. In der Regel handelte es sich hier entweder um arabische Musiker/innen oder Musiker aus (West-)Afrika. Ein Beispiel für eine ministerielle "Agentur" zur Vermittlung von Musiker/innen war das Niedersächsische "Welcome-Board". Damit ein Besuch einer Musikerin oder eines Musikers kein Exotikum bleibt, ist die Einbettung des Besuchs in eine umfassendere Unterrichtseinheit erforderlich. Hierzu haben Dorothee Barth und Mitarbeiter/innen einen ausführlichen Reader erarbeitet, der ergänzend zum Besuch einer Musikerin bzw. eines Musikers eingesetzt wurde. Er enthält die Kapitel/Materialien zu

Wie so häufig werden solche Intiativen nach ein paar Jahren eingestellt und auch dieser unglaublich brauchbare Reader überdauert nicht im Internet. Er ist aber auf der vorliegenden Seite noch immer vorhanden und kann (kostenlos) herunter geladen werden: Download hier (59 MB).

3. Analyse und Interpretation einer Avantgarde-Komposition aus Syrien

Warum nicht einmal eine Komposition eines aktuellen Komponisten aus Syrien im Unterricht besprechen? Hierdurch kann der Meinung begegnet werden, dass die Musik der arabischen Welt und Afrikas nur aus Folkore, traditioneller Kunstmusik oder Pop besteht. Beispiel: Rami Chahin "The Flowers of Sadnesse", UA 2011 im Opernhaus von Damaskus zu Beginn des in den Bürgerkrieg übergegangenen "Arabischen Frühlings". Details zu dem Stück, zu Aufführungsbedingungen, Intention und kulturellem Hintergrund.

4. Themenkreis "Musik und Politik": die unterschiedlichen Funktionen politischer Musik zu Zeiten der Arabellion 2011-2013

Ich babe 11 Videoclips (meist Zusammenschnitte von Videos aus dem Internet) zusammengestellt und die Videoclips nach unterschiedlichen Funktionen und Kompositionsverfahren politischer Musik systematisiert. Diese Videos befinden sich auf der Youtube-" Playlist Musik der Arabellion". Die dazu gehörigen ausführlichen Kommentare gibt es als Text zum Download (hier als pdf).

5. Die Medienwelt von Flüchtlingskindern und -jugendlichen

Flüchtlingskinder leben in einer Medienwelt und kennen Smartphone, Vielen hat ein Smartphone das Leben gerettet. Und von Deutschland aus ist das Smartphone die einzige Verbindung zur "Heimat". Daher hat mir der in Deutschland lebende syrische Komponist Rami Chahin ein paar Links genannt, die eventuell im Unterricht oder bei der Unterrichtsvorbereitung angeklickt werden könnten. Vieleicht können syrische oder arabisch sprechende Kinder diese Videoclips kommentieren, sagen ob sie sie kennen und gegebenfalls der Lehrerin und den Mitschüler/innen erklären. Dies wäre zwar auch die problematische retrospektive Methode "Was ist 'Eure' Musik?", jedoch medial abgemildert und eher recherchierend-informierend als inquisitorisch oder mit dem Anspruch, etwas Eigenes preisgeben zu müssen. Rami Chahin sagt allerdings: "Syrische Lieder sind sehr lokal, jeder Ort oder jede Stadt hat seine/ihre traditionellen Lieder. Man kann sie nicht im Internet finden. Aber wir haben auch allgemein die arabischen Kinderlieder. Ich schicke Ihnen anbei einige Lieder für verschiedene Kinder-Altersgruppen, vielleicht sind einige sehr kitschig". Bei der Durchsicht der Video bestätigte mir Magda Assem diese Einschätzung und kommentiert einige Lieder:

6. Zur Vielfalt der Musik einer Kulturregion - am Beispiel "Musik rund ums Mittelmeer"

Für etwas ältere Schüler/innen bietet sich meines Erachtens an, das Thema "Musik rund ums Mittelmeer" zu behandeln. Hier können auf einer "musik-touristischen" Ebene sowohl europäische Länder als auch solche, die uns heute als "fremd" erscheinen, vorgestellt werden. Die Musik dieser Länder ist dann eine Projektionsfläche für den Umgang mit Ängsten, Vorurteilen und der Realität. Man nimmt den gesamten derzeit in Bewegung geratenen Kulturkreis ins Visier und weitet für alle, die sich zu einem bestimmten Land zugehörig fühlen, den Blick. Meine interaktive Musiklandkarte "Musik rund ums Mittelmeer" beispielweise enthält in der Grundversion Titel aus dem Jahr 2014 (also der Arabellion), kann aber auch mit eher traditionellen und landestypischen Musiken gefüttert werden. Zudem können Schüler/innen eigene Musik in das spielerisch gestaltete Programm implementieren. Ergänzend zu dieser Musiklandkarte, die einen Quiz, ein Ratespiel und Informationstafeln enthält, können umfangreiche Unterrichtsmaterialien zum Thema "Musik rund ums Mittelmeer" bei mir ausgeliehen werden. Sehen Sie hier!

"... mittlerweile ist unsere Projektwoche "Flüchtlinge Willkommen" in vollem Gange und ich konnte einige Ihrer tollen Medien bei meinem Projekt einsetzen. So konnten wir die Musikreise ums Mittelmeer durchführen und über die teilweise schockierenden Inhalte diskutieren. Es waren auch Syrische Flüchtlinge dabei, die Titel kannten und/oder übersetzen konnten. Zu dem Song aus dem Intro haben wir Willkommens-Texte erstellt und diese auf die Melodie gesungen und mit Alltagsgegenständen begleitet. Das hat den Schülern gut gefallen. Auf Riesenplakaten haben wir die Mittelmeerländer gepuzzelt und mit Leben gefüllt. Gar nicht so einfach! Auch für mich als vorbereitende Lehrkraft! Abgerundet haben wir das Ganze mit einem Tanz aus Syrien (Dabke), sehr einfach, sehr spaßig und einem Spiel. Die Dabke wollen wir am Präsentationstag mit allen Besuchern nach der Begrüßung tanzen." (Lehrerin aus Neuenstein)

7. Wie Migration neue Musikstile oder Genres geschaffen hat

Zahlreiche Weltmusik-Genres sind aus Migrationsbewegungen hervor gegangen. Indem man diese heute "angesagten" Musikstile kulturerschließend bespricht, spricht man auch über die kreativen Seiten von Migration. Alle Musikstile enthalten (1) Erinnerungen an Leid-, Armuts- und Gewalt-Erfahrungen und zeugen (2) von dem vitalen Willen, in der neuen Heimat etwas Neues zu schaffen, was die Dichotomie von "Eigenem und Fremdem" aufhebt. Diese Musiken können als Projektionsfläche für aktuelle Fragen und Probleme dienen, die sowohl Flüchtlingskinder und -jugendliche als auch Deutsche mit und ohne Migrationshintergrund haben. Zudem ist hier viel PLatz, um die momentan viel diskutierten negativen Aspekte kultureller Aneignung ("cultural apropriation") positiv zu sehen.

Überprüfen Sie Ihre Weltmusik-Grundbildung:

In ungeordneter Reihenfolge erklingen neun 12-Sekunden-Ausschnitte aus den hier genannten "Migranten-Genres":

Zur Lösung hier!

8. Musik im Krieg

Es gibt verschiedene "Soundscapes", die konkret von Kriegserlebnissen berichten. Hier ein Video aus Libyen (eine Kurzfassung der Komposition "The End of Silence" von Mathew Herbert, 2011), dazu ein ausführlicher Text im Kommentar des Videos (oder hier unter Nr. 7, Seite 10).

Eine sehr radikale Sammlung von musikalischen Reportagen, Soundscapes und vertonten Texten befindet sich auf der CD/Kompilation "Music, Awareness & Solidarity with Rojava Revolution", die kostenlos oder gegen eine Spende von der Seite " female:pressure" herunter geladen werden kann. Auf dieser Download-Seite wird ausführlich über das Projekt und die Musiker/innen berichtet. Über die Produzentin hat die taz am 31.5.2016 berichtet (Kopie download hier). ("Rojava" ist die kurdische Bezeichnung des vom IS befreiten Kurdengebiets in Syrien und im Irak an der türkischen Grenze.) 2022 ist das Thema "Rojava" wieder hoch aktuell aufgrund der erneuten Militäroperationen der Türkei gegen die syrischen Kurden.

Zum Thema "Musik im Krieg gegen die Ukraine 2022" findet man im Internet zahlreiche Beiträge: Da gibt es einerseits die Ukrainische Popmusikszene, die sich mt Solidaritäts- und Friedenslieder hervortut (zusammenfassender Artikel mit Links) oder Musiker/innen, die in Ukrainischen Bunkern spielen (Bericht und Video hier).