Eine Bemerkung zu Irmgard Merkt und Volker Schütz, die als die beiden "Leuchttürme" der deutschen Interkulturellen Musikerziehung angesehen werden. Während Irmgard Merkt ihren Fokus auf türkische Musik gelegt hat und sich explizit auf die Herkunftskultur von Kindern, die an deutschen Schulen auftauchten, bezog, konzentrierte sich Volker Schütz auf die Musik aus Afrika südlich der Sahara. Merkts Interesse galt also letztendlich explizit einem Musikunterricht in der deutschen Migrationsgesellschaft während Volker Schütz' Bezug zu Afrika durch die Suche nach den "Wurzeln" der afroamerikanisch geprägten "internationalen" (genauer gesagt: US-geprägten) Popmusik begründet war. Da die "internationale" Popmusik in Deutschland allerdings auch als "Allgemeingut" aller Kinder und Jugendlichen angesehen werden kann, konnte Schützens Ansatz auch implizit als einer für die Migrationsgesellschaft interpretiert werden (siehe Modell 7).
Modell 4. Irmgard Merkts Schnittstellen-Ansatz
Die bekannteste und einflußreichste interkulturelle Musikpädagogin in der BRD ist Irmgard Merkt,
die 1983 die Diskussion um interkulturelle Musikerziehung ins Rollen gebracht hat (Merkt 1983)
und als Initiatorin oder Begleiterin hinter vielen interkulturellen Projekten im Ruhrgebiet steht. Irmgard Merkt ist der Meinung,
daß die auch in der Musikpädagogik ursprünglich praktizierte Ausländerpädagogik"
durch ihren Schnittstellen"-Ansatz zur interkulturellen Musikerziehung" weiterentwickelt worden sei.
Das Besondere Ihres Ansatzes ist, daß die Musikpraxis Ausgangspunkt interkulturellen Musikunterrichts ist und daß
diese Praxis dem Theorem des Kulturunversalismus (als sog. Schnittstelle") folgend gefunden werden kann.
Schnittstellen" sind demzufolge jene musikpraktischen Erfahrungen, die von Kinder unterschiedlicher Kulturen verstanden und vor allem auch akzeptiert
werden. Die deutschen Kinder sollen also in der ausländischen Musik" gerade nicht das Fremde, sondern
das Vertraute erfahren. Der Ansatz ist am deutlichsten dargestellt in Merkt 1993. Der "Schnittstellenansatz"
blieb allerdings oft auf der Ebene der Gemeinsamkeiten stecken und führt nicht zur Erfahrung von Differenz.
Eine Weiterentwicklung ist der "erweiterte Schnittstellenansatz".
Fragestellungen:
- Wie sieht die heutige interkulturelle Konzeption von Merkt aus und wie hat sie sich aus der Ausländerpädagogik (NB: Merkt kommt bezeichnenderweise von der Sonderpädagogik und war Professorin für Musik in der Sonderpädagogik!) heraus entwickelt?
- Welche grundsätzlichen Probleme bietet der Schnittstellen-Ansatz?
- Welche paktischen Probleme gibt es bei diesem Ansatz (Weiterentwicklung der Musikpraxis zur Reflexion - vom bloßen Erlebnis zur Erfahrung")?
- Wird der interkulturelle Ansatz Merkts den Forderungen der antirassistischen oder transkulturellen Didaktik bereits gerecht bzw. kann er in diese Richtung weiterentwickelt werden?