Modell 8. Weltmusik als Thema des Musikunterrichts
Während im Englischen "World Music" allgemein für "Musik der Welt" (wie bei Reck 1991) bzw. "die Musiken aus aller Welt" verwendet wird (Nettel 1992) bedeutet(e) "Weltmusik" in Deutschland überwiegend eine bewusst von westlichen ("Weißen") Musiker*innen inszenierte Zusammenkunft mit nicht-westlichen ("Schwarzen") Musiker*innen auf Festivals (wie WOMAD) oder bei Reisetätigkeiten ("Ethnopop" von Embryo) oder nur in westlichen Studios mit dem Ziel medialer Verbreitung (Radio, Schallplatten, Internet). Weltmusik in diesem Sinne ist also immer eine Fusion mehrer Stile und Kulturen oder eine Inszenierung einer Kultur in einem anderen Kontext (z.B. Ravi Shankars Klassische Indische Musik in Woodstock). "Globale Musik" trifft nicht ganz das, was "Weltmusik" im Kern bedeutet, weil "Globale Musik" unschärfer gefasst ist und im Sinne des Transkulturalismus meint, dass sich heute alles mit allem vermischt oder doch vermischen kann, wobei alle Herrschaftsbeziehungen eliminiert zu sein scheinen. "Weltmusik" hingegen ist immer eine "ungleiche" (Herschafts-)Beziehung - auch wenn sie im gegenseitigen Einvernehmen eingegangen worden ist.
Weltmusik gilt im "besten und ursprünglichen Sinne" als herrschaftsfreie musikalische Kommunikationsform unter Musiker*innen unterschiedlicher musikkultureller Herkunft. Jede Weltmusik, die diesen Anspruch auch tatsächlich erfüllt, könnte ein musikalisches Modell für interkulturelle Kommunikation und damit auch für interkulturellen Musikunterricht sein. Genaue Ausführungen diesen Gedankens gibt es noch kaum. Daher wäre es lohnend, folgende Fragen abzuhandeln:
- Was ist Weltmusik" und wann erfüllt Weltmusik" den Anspruch herrschaftsfreier musikalischer Kommunikation?
- Wie kann im Musikunterricht am Modell Weltmusik" interkulturell gelernt werden?
- Kann die Praxis der Weltmusik" ein musikpädagogisches Modell sein (indem SchülerInnen prototypisch oder in gemischten" Klassen sogar als Ernstfall ein Stück Weltmusik" machen)?
Diese Fragen können im Unterricht anhand einer Analyse bekannter Weltmusik-Intiatiaven erörtert werden. Der deutsche Wikipedia-Artikel, an dem neben dem Musikethnologen Max-Peter Baumann der Komponist Klaus Hinrich Stahmer maßgeblich mitgewirkt haben, ist ein umfassendes Compendium und nennt alle wichtigen Initiativen, die Grundlage einer Recherche im Unterricht sein können. Ergänzend sollte die neue Plattform "Norient" (https://norient.com/) hinzugezogen werden, die sich der "Weltmusik 2.0" verschrieben hat.
Siehe auch meine Materialien "Musikkulturen der Welt".
Anregung 1:Vergleicht die Weltausstellung 1989 (durch die Debussy mit Gamelan bekannt wurde) mit der Weltausstellung 1972 in Osaka (auf der Karlheinz Stockhausen den deutschen Pavillon mit seiner Weltmusik gestaltete)!
Anregung 2: TaKeTiNa.
Reinhard Flatischler hat ein sehr eigenwilliges Weltmusik-Konzept unter dem geschützen Namen TaKeTiNa"
entwickelt. TaKeTiNa dringt derzeit ansatzweise auch ins Klassenzimmer ein, nachdem Flatischler selbst seine anfängliche Abneigung gegen eine "Pädagogisierung"
des Konzepts aufgegeben und im Schott-Verlag publiziert hat. TaKeTiNa ist Body Percussion, aber eben noch mehr als das!
Fragestellungen zu TaKeTiNa:
- Darstellung des Ansatzes TaKeTiNa - Begründung und Didaktik/Methodik. Findet hier möglicherweise interkulturelle Musikerziehung statt bzw. was fehlt, was müsste ergänzt, was weiterentwickelt werden?
- Ist TaKeTiNa ein Einstieg in transkulturelle" Musikerziehung, d.h. einer Musikerziehung, die auch unseren Kulturbegriff verändert?