Modell 6. Neugier - Angstfreiheit durch Aspekte des Fremden"
Eine Idee interkultureller Musikerziehung ist es, daß Kinder und Jugendliche zu Neugierigsein, zu Toleranz und zu Angstlosigkeit
gegenüber Fremdem erzogen werden müssen. Denn die Empirie hat festgestellt, daß Kinder und Jugendliche bezüglich
jener Musik, die ihnen besonders unbekannt und fremd ist, oft sehr intolerant sind. Diese ästhetische Intoleranz wird leicht auf
die Menschen übertragen. Zugleich jedoch sind Kinder (und manche Jugendliche) auch neugierig und daran interessiert, sich Neues und
Unbekanntes anzueignen. "Die Angst vor dem Fremden in Neugier nach etwas Unbekanntem" umzuwandeln, das war auch die Maxime von
Ingo Scheller, der die Szenische Interpretation von ("fremder") Musik entwickelt hat. Dass die Angst vor dem Fremden heute im Zuge der
Flüchtlings- und Asylpolitik nach 2015 eine große Rolle spielt, ist ein anerkanntes Erklärungsmuster für Rechtsradikalismus
(siehe Stroh 2021 "Die Angst vor dem Fremden").
Hier zu diskutieren ist die Idee, daß nicht nur an klassischen" interkulturellen Themen
(wie den Musken der Welt) Aspekte des Fremden" erfahren werden können, sondern auch an fremder"
abendländischer oder Popmusik. Ja, die abendländische Musik ist vielleicht sogar geeigneter, weil sie den LehrerInnen
besser greifbar ist. KritikerInnen sagen zu dieser Idee: hier versuchen EurozentristInnen ihre" Musik zu retten, und
der Transfereffekt ist unbewiesen. Es gibt zwei Richtungen: einmal wird internationale Kunstmusik thematisiert,
die außereuropäischen Ursprungs ist; zum andern wird historisch weiter zurückliegende abendländische
Musik thematisiert. Beispiele: Roscher/Kienhorst 1976 und Krakauer 1993 (polyästhetische Erziehung), Weyer 1973
(Avantgarde), Taubald 1978 (Ravel, Debussy), Schneider in M+B 1990 (Yun), Rüdiger in M+U 1993 (Aharonián),
Landreh 2000 (Berio), Stroh 2016 (Fazil Say).
Fragestellungen:
- Wie explizit verstehen sich die vorgetragenen Konzepte als interkulturelle Musikerziehung"?
- Wie stark heben die Konzepte auf die Transfer-Kategorien" Toleranz, Neugier, Angstfreiheit etc. ab und wie gehen sie gegebenenfalls auf das Transfer-Problem ein? Oder bleibt es bei Sonntagsreden"?
- Kann das vorgelegte Material gegebenenfalls zu Materialien für interkulturelle" Musikerziehung weiterentwickelt werden?