"Interkulturelle Musikerziehung ist Friedenserziehung!"
Die GEW hat 2020 zum Antikriegstag unter dem Motto "Bildung statt Bomben" zu folgende Statements abgegeben: „Nie wieder Krieg! In die Zukunft investieren statt aufrüsten!“ - "Die Bundesregierung muss sich endgültig von der Zwei-Prozent-Vorgabe der NATO lösen und die für Rüstungsausgaben vorgesehenen Mittel in ein sozial gerechtes Deutschland und Europa mit nachhaltigen Zukunftsperspektiven investieren." Die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe sagte, der alte Ruf „Bildung statt Bomben!“ sei nach wie vor richtig und notwendig. „Nach der Erfahrung der Corona-Krise müssen wir mehr denn je überlegen, wie wir zukünftig leben wollen“, betonte sie. „Wir werden unsere Anstrengungen verstärken müssen – auch in der Friedenserziehung.“ Abrüsten statt Aufrüsten sei das Gebot der Stunde. Hinter dieser Forderung versammelten sich neben der GEW rund 400 Bildungsgewerkschaften aus 170 Ländern in der Bildungsinternationalen BI. (Quelle hier.)
Am 28. Februar 2022 beschließt die rot-grün-gelbe Bundesregierung, unterstützt von einer Bundestagsmehrheit, nicht nur, Waffen in die Ukraine zu entsenden, sondern auch die Bundeswehr mit 100 Milliarden aufzurüsten und die 2%-Forderung zügig zu erfüllen.
Wie soll Friedenserziehung angesichts des Überfalls Russlands auf die Ukraine am 21.2.2022 und derartiger Regierungs- und Bundestagsbeschlüsse aussehen? Wie soll man mit den von der GEW 2020 formulierte Zielen umgehen?
Wie kann Friedenserziehung aussehen angesichts des Massakers der Hamas an israelischen Zivilisten am 7. Oktober 2023 und dem darauf folgenden Krieg Israels in Gaza, der Anfang Januar 2024 nicht nur
einen großen Teil Gazas unbewohnbar gemacht sondern auch über 20.000 Menschen das Leben gekostet hat?
Ich denke, Friedenserziehung hat nicht die Aufgabe, Fragen zur aktuellen Kriegsführung zwischen Russland und der Ukraine
oder Israels in Gaza zu diskutieren. Sie muss und kann sich auf längerfristige Ziele besinnen, deren Verfolgen aber durchaus auch Auswirkung auf konkretes Handeln haben kann. E
in Terrain, auf dem derart längerfristige Ziele verfolgt werden, ist die Interkultruelle Musikerziehung.
Denn unter Friedenserziehung versteht man landläufig
(1) ein allgemeines (sozial-)pädagogisches Prinzip, wonach Konflikte "friedlich" und nicht mit Gewalt gelöst werden sollen,
(2) die Vermittlung und Diskussion von Informationen darüber, warum es Kriege gibt, warum Waffen(geschäfte) in Deutschland eine so große Rolle spielen und warum immer wieder die "Diplomatie" nicht in der Lage ist, Konflikte zu lösen,
(3) eine Art Ermutigung dazu, überall dort, wo Gewalt zu entstehen droht oder entsteht, gewaltlos ("friedlich") einzugreifen und sich in der Zivilgesellschaft konsequent für Frieden einzusetzen,
(4) die Erzeugung von Bereitschaft, Opfern von Kriegen - insbesondere Flüchtlingen - konkret zu helfen.
Man ahnt, dass die Interkulturelle Musikerziehung ein Feld ist, auf dem Friedenserziehung im Sinne dieser Ziele geleistet werden kann.
Nicht direkt, aber indirekt, weniger kurz- als vielmehr längerfristig. Es geht hier also nicht nur um das Singen von Friedens- oder Antikriegslieder,
nicht nur um die Diskussion der Rolle von Musik in Kriegen und Armeen. Es geht hier vielmehr um allgemeine Einstellungen und zwischenmenschliche Prinzipien,
um die Vision eines sozialen und offenen Lebens ohne Diskriminierung. Denn
Ziel der IME ist es
die Schüler/innen zu befähigen, aktiv, bewusst, selbstbestimme und sozial in der multikulturellen Migrationsgesellschaft und einer globalisierten Welt musikalisch tätig zu sein". (Siehe "Abstract"!)
Zwischen diesem Ziel und den vier oben formulierten Zielen gibt es Überschneidungen. Musik kann dabei so etwas wie eine Projektionsfläche sein. Sie kann die Angst vor Fremdem und Unbekanntem in Neugier und Handlungsbereitschaft verwandeln. Sie kann auch zum Verständnis menschlichen Handelns beitragen. Sie kann insbesondere ein konkretes Verständnis der "Migrationsgesellschaft" fördern. Die Offenheit gegenüber Multilulturalität, die Musik gleichsam per se verkörpern kann, ist eine Form von Antirassismus. Kriege als die extremste Form von Diskriminierung und Frieden als eine Leben ohne Diskriminierung, das lässt sich so erfahren.
Kurzum: Interkulturelle Musikerziehung ist Friedenserziehung in einem sehr weit gefassten und indirekten Sinn. Sie ist daher ein nachhaltiger und effektiver Beitrag zur Friedenserziehung.